Spiegelmomente im Supermarkt

Was ein Einkaufswagen mit Selbstwahrnehmung zu tun hat

Neulich war ich im Supermarkt. Ein kurzer Einkauf fürs Wochenende, ich war guter Dinge, fast fertig. Vor mir zwei Personen mit gut gefülltem Wagen, hinter mir eine Frau, die ihren Einkaufswagen so dicht an mich heranschob, dass ich den Korb deutlich an meiner Wade spürte.

Ich drehte mich leicht zur Seite – nicht unhöflich, einfach ein kurzer Blick. Vielleicht in der stillen Hoffnung, dass sie ein wenig zurückweicht.
Aber nichts. Kein Augenkontakt. Kein Lächeln. Kein Innehalten. Nur diese völlige Konzentration auf etwas vor ihr, das offenbar wichtiger war als mein Gefühl von Raum.

Ich spürte eine leichte Gereiztheit in mir.
Keine große Sache – und doch ein vertrautes inneres Murmeln: Muss das sein? Sieht sie mich nicht? Was ist mit einem Mindestmaß an Distanzgefühl?

Solche Momente laden dazu ein, sich einfach aufzuregen. Über mangelnde Achtsamkeit. Über Rücksichtslosigkeit. Über diese kleine Geste, die sich unangenehm anfühlt.
Aber manchmal lohnt sich eine andere Frage: Warum triggert mich das gerade so sehr?

Ist es wirklich der Einkaufswagen? Oder eher das Gefühl, übersehen zu werden?

Während ich da stand, wurde mir klar: Dieses Gefühl kenne ich gut.
Nicht nur aus dem Supermarkt. Auch aus Meetings. Aus Gesprächen mit Menschen, die mir wichtig sind.
Und manchmal sogar von mir selbst – wenn ich mich durch den Tag schiebe, ohne zu merken, wie eng und voll es gerade ist. Ohne innezuhalten, ohne mich selbst wahrzunehmen.

Die Frau hinter mir war vermutlich einfach in Eile.
Aber ihr Einkaufswagen wurde für einen Moment zum Spiegel.
Nicht angenehm – und doch ein Hinweis.

Solche Situationen beschreibe ich im zweiten Kapitel meines Buches „Der innere Kurs.
Dort geht es um genau diese Augenblicke: Wenn das Verhalten anderer etwas in uns berührt. Nicht, weil sie es wollen – sondern weil wir plötzlich merken, dass etwas in uns in Bewegung gerät.
Ein Thema, das weit über den Supermarkt hinausreicht.