Arbeit mit 59

was, wenn ich nicht mehr gebraucht werde?

Ich bin 59. Und manchmal frage ich mich, wie es weitergehen soll.

In politischen Debatten wird darüber gesprochen, das Renteneintrittsalter weiter anzuheben. Gleichzeitig verändert sich der Arbeitsmarkt. Viele Unternehmen suchen gezielt nach jüngeren Kräften, nach Menschen, die noch „formbar“ sind, idealerweise in Vollzeit. Auf Bewerbungen erhalte ich oft gar keine Rückmeldung. Und wenn in Stellenanzeigen von einem „jungen, dynamischen Team“ die Rede ist, frage ich mich unwillkürlich: Bin ich da überhaupt noch gemeint?

Diese Unsicherheit macht etwas mit mir. Ich merke es daran, dass ich meine Ausgaben vorsichtiger plane. Dass ich Stellenanzeigen zuerst auf Altersgrenzen, Teilzeitoptionen und Homeoffice-Möglichkeiten scanne. Dass ich überlege, wie ich erklären kann, warum ich mit 59 noch motiviert bin, etwas Neues zu beginnen – oder ob ich mein Alter lieber gar nicht erwähne. Manchmal schreibe ich Bewerbungen gar nicht erst.

Solche Gedanken sind nicht abstrakt – sie erzeugen Angst. Und sie sind tief verbunden mit einer inneren Geschichte: der Idee, nicht mehr gebraucht zu werden.

Im dritten Kapitel meines Buches Der innere Kurs schreibe ich über genau solche Momente. Angst entsteht oft da, wo eine Lücke entsteht – zwischen dem, was ist, und dem, was wir eigentlich bräuchten. Sie zeigt, dass uns etwas fehlt: Orientierung, Zugehörigkeit, Sinn. Angst ist selten diffus. Meistens ist sie ein sehr präzises Signal.

In meinem Fall war es die unbewusste Deutung: Du bist zu alt. Deine Erfahrung zählt nicht mehr. Du passt nicht mehr ins Bild. Und diese Bedeutung – diese Interpretation – hat meine Angst noch verstärkt.

Im ersten Kapitel des Buches geht es um genau diesen Mechanismus: Bedeutungsgebung. Wir tun es ständig, oft ohne es zu merken. Doch diese inneren Deutungen bestimmen maßgeblich, wie wir fühlen, denken und handeln. Wenn ich glaube, dass mein Alter ein Makel ist, verhalte ich mich so, als wäre das wahr. Ich ziehe mich zurück. Ich bewerbe mich nicht. Ich verstumme.

Was mir geholfen hat, war ein Innehalten. Nicht, um die Angst loszuwerden – sondern um sie zu verstehen. Ich habe aufgeschrieben, was ich konkret fürchte. Welche Schlüsse ich daraus ziehe. Und was davon wirklich stimmt. Erst dadurch entstand wieder ein Raum, in dem ich handeln konnte. Und sogar ein Gedanke an neue Möglichkeiten.

Im Buch beschreibe ich, wie wir einen anderen Umgang mit unserer Angst lernen können. Wie wir mit ihr in Kontakt treten, ohne uns von ihr bestimmen zu lassen. Das ist kein schneller Weg. Aber er beginnt mit einer schlichten, ehrlichen Frage:

Was will mir diese Angst – auch über mich selbst – sagen, wenn ich ihr wirklich zuhöre?